Denkend Reden - Redend Denken (1) (Thinking while Speaking - Speaking while Thinking)
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Ich beobachte schon seit langem zwei unterschiedliche Herangehensweisen in zwischenmenschlichen Gesprächen, die ich unter den Überschriften Denkend Reden sowie Redend Denken beschreiben und zusammenfassen möchte. In einer ersten oberflächlichen Betrachtung bin ich dazu geneigt, dem denkenden Reden eine höhere Wertigkeit zuzuschreiben. Aus diesem Grund verspürte ich schon immer den Impuls, mich mit dieser Grundhaltung in Dialogen stärker zu identifizieren. Je mehr ich aber in diese Logik eintauchte, umso klarer ist mir geworden, dass nicht nur beide Haltungen ihre Berechtigung haben sondern auch ihre ganz spezifischen Vorzüge, die die jeweils andere nicht zu leisten im Stande ist.
Denkend Reden
Von den ersten Schultagen an wurde ich mit dem Satz konfrontiert: "Erst denken, dann sprechen." - Ich nehme an, den allermeisten meiner Generation erging es nicht anders. Ich verbinde diese Aussage mit schambehafteten Situationen, wenn man etwas Unrichtiges, Unlogisches oder Widersprüchliches von sich gegeben hat. Ich weiß nicht, wie das in den Schulen heute gehandhabt wird, aber in meiner Schulzeit hatte dieser Grundsatz hatte beinahe axiomatischen Charakter, wodurch sich eine ganze Denkweise von vornherein disqualifiziert: die des redenden Denkens. "Erst denken, dann sprechen" - der Satz geht auf Immanuel Kant zurück und es überrascht mich nicht, dass er von einem wirklich großen Denker des Abendlandes geprägt wurde. Ein Denker, ein Philosoph und - ein Theoretiker. Vermutlich können sich Theoretiker eher leisten, dem Grundsatz "Erst denken, dann sprechen" zu folgen. Sie müssen seltener ins kalte Wasser springen, ihre Denk- und Lebenswelten sind besser einschätzbar und bergen weniger Überraschungen. (Mir ist klar, dass ich pauschalisiere, aber im Großen und Ganzen halte ich das für zutreffend.) Das denkende Reden entspricht auch eher Menschen, die zu Introvertiertheit neigen. Auch, wenn ich auf angstfreie Räume angewiesen bin, um mich mitzuteilen oder wenn ich ein Sicherheitsnetz brauche, wenn ich mich in der Kommunikation selbst zeige oder zeigen muss, neige ich vermutlich eher zum denkenden Reden. Es ist das deutlich ruhigere Fahrwasser.
Redendes Denken
Ganz anders verhält es sich beim redenden Denken. Hier liefert uns Heinrich von Kleist ein schönes Zitat, das wohl die meisten von uns nachvollziehen und aus ihrer eigenen Erfahrung bestätigen können: "Die Idee kommt beim Sprechen." Dieses Kommunikationskonzept kenne ich eher aus der Beobachtung meiner selbst aber auch der Beobachtung von Freunden, Familienmitgliedern und vielen anderen. Wir sehen es auch bei Kindern, die etwas verinnerlichen möchten. Und ich neige dazu, auch den inneren Monolog, das Gespräch mit sich selbst, in diese Kategorie einzuordnen, auch wenn hier die Grenzen verschwinden. Und häufig ist ja der innere Monolog in Wahrheit ein vorweggenommener, fiktiver Dialog mit einer realen oder erfundenen Person, um einer Sache auf die Spur zu kommen, mit einem Problem zurande zu kommen oder etwas zu verstehen.
Das redende Denken eröffnet uns auf eine unmittelbare Weise den Raum der Kreativität. Im Sprechen hört man sich selbst zu, erdet einen Gedanken oder erschließt sich neue Kontexte, die so lange unzugänglich waren, als wir einen Begriff nur unausgesprochen in uns herumgetragen haben. Es gibt die etwas bösartige Redewendung: "Woher soll ich wissen, was ich denke, solange ich nicht gehört habe, was ich zu sagen habe?" Und auf sehr spöttische Weise disqualifiziert er das redende Denken - zu Unrecht, wie ich meine.
Das redende Denken kann eine riskante Sache sein, ist es doch fast unmöglich, etwas Ausgesprochenes wieder zurückzunehmen. Ein einmal geäußerter Satz hat die unangenehme Eigenschaft, sich sofort selbständig zu machen, sich jeder Kontrolle zu entziehen und gerne auch missverstanden zu werden. Daher brauchen wir dafür Räume zum Experimentieren, Safe Spaces und eine verständnisvolle Umgebung. Außerdem die innere Freiheit zum Loslassen, zur Konfrontation mit sich selbst.
Denkendes Reden - Redendes Denken
Ich glaube, in der Ausarbeitung dieser Kommunikationsweisen liegt noch viel Potenzial. Einige mögliche Fragen, die ich hier in Zukunft bearbeiten möchte, lauten:
- Wo liegen die Stärken der beiden Kommunikationsweisen und wo wende ich sie am besten an?
- Wie kommunizieren introvertierte oder extrovertierte Typen?
- Welchen Kommunkationsweisen dominieren unser öffentliches Gespräch und welche manifestieren sich in unserem Bildungssystem?
Thinking Speech-Speaking Thoughts
For a long time now, I have observed two different approaches in interpersonal conversations, which I would like to describe and summarise under the headings 'thinking while speaking' and 'speaking while thinking'. At first glance, I am inclined to attribute greater value to thinking while speaking. For this reason, I have always felt the urge to identify more strongly with this basic attitude in dialogues. However, the more I immersed myself in this logic, the clearer it became to me that not only are both attitudes justified, but they also have their own specific advantages that the other is unable to offer.
Thoughtful speech
From my first days at school, I was confronted with the phrase: 'Think first, then speak.' I assume that most of my generation felt the same way. I associate this statement with embarrassing situations when you have said something incorrect, illogical or contradictory. I don't know how this is handled in schools today, but in my school days this principle had an almost axiomatic character, disqualifying an entire way of thinking from the outset: that of thinking while speaking. 'Think first, then speak' – the phrase goes back to Immanuel Kant, and I am not surprised that it was coined by one of the truly great thinkers of the Western world. A thinker, a philosopher and – a theorist. Presumably, theorists are more likely to be able to afford to follow the principle of 'think first, then speak'. They are less likely to have to jump in at the deep end, their worlds of thought and life are more predictable and hold fewer surprises. (I realise that I am generalising, but on the whole I think this is true.) Thinking speech is also more suited to people who tend to be introverted. Even though I need fear-free spaces to express myself or a safety net when I reveal myself or have to reveal myself in communication, I probably tend more towards thinking speech. It is the much calmer waters.
Talking thinking
The situation is quite different with talking thinking. Here, Heinrich von Kleist provides us with a beautiful quote that most of us can probably relate to and confirm from our own experience: 'The idea comes when speaking.' I am familiar with this concept of communication from observing myself, but also from observing friends, family members and many others. We also see it in children who want to internalise something. And I tend to classify the inner monologue, the conversation with oneself, in this category as well, even if the boundaries disappear here. And often, the inner monologue is in reality an anticipated, fictional dialogue with a real or imaginary person in order to get to the bottom of something, to deal with a problem or to understand something.
Talking to ourselves opens up the space for creativity in a direct way. When we speak, we listen to ourselves, ground a thought or open up new contexts that were inaccessible as long as we carried a concept around with us unspoken. There is a somewhat malicious saying: 'How am I supposed to know what I think until I hear what I have to say?' And in a very mocking way, it disqualifies thinking aloud – unjustly, in my opinion.
Thinking aloud can be a risky business, as it is almost impossible to take back something that has been said. Once uttered, a sentence has the unpleasant tendency to take on a life of its own, to escape all control and to be easily misunderstood. That is why we need spaces for experimentation, safe spaces and an understanding environment. We also need the inner freedom to let go, to confront ourselves.
Thinking speech – speaking thoughts
I believe there is still a lot of potential in developing these modes of communication. Some possible questions I would like to address here in the future are:
* What are the strengths of the two modes of communication and where can I best apply them?
* How do introverted or extroverted types communicate?
* Which modes of communication dominate our public discourse and which are manifested in our education system?
Translated with DeepL.com